
Ist es einmal entzwei, ist es alles vorbei…
21. Mai 2025
04.06.2025 | Bank- und Kapitalmarktrecht:
BGH: Unzulässig erhobene Bankentgelte können nur drei Jahre zurückgefordert werden
Der Anlauf der Verjährungsfrist war nicht bis zur Grundsatzentscheidung des BGH zur Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln im Jahr 2021 gehemmt
Mit Urteil vom 03.06.2025 hat der XI. Zivilsenat über drängende Fragen zur Verjährung der Rückforderung von Bankentgelten entschieden (XI ZR 45/24). Im Rahmen einer Musterfeststellungsklage hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) sich gegen die Entgelte für Girokonten der Berliner Sparkasse gewendet. Diese waren im Jahr 2016 unter Verwendung einer Zustimmungsfiktionsklausel in den AGB eingeführt worden, die vorsah, dass im Falle eines ausbleibenden Widerspruchs des Kunden auf ein Änderungsangebot auch hinsichtlich Hauptleistungsentgelten eine Zustimmung zur angetragenen Änderung als erteilt gilt.
Eine ähnliche Zustimmungsfiktionsklausel hatte der BGH bereits mit Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) für unzulässig erklärt, da sie entgegen der Grundgedanken des Vertragsrechts Schweigen – unabhängig seiner Ursache – als Willenserklärung qualifiziere und es ermögliche, das Vertragsgefüge einseitig und umfassend umzugestalten. Folgerichtig betonte der BGH nun, dass die Frage der Zulässigkeit der Fiktionsklausel der Sparkasse Berlin im Rahmen der Musterfeststellungsklage des VZBV nicht mehr klärungsbedürftig sei. Ob eine Zustimmung zu den Entgelten durch schlüssiges Verhalten des Kunden im Rahmen der Fortnutzung des Girokontos zu erblicken sei, konnte der BGH im Rahmen hiesiger Musterfeststellungsklage nicht beantworten, da die Auslegung der konkreten Willenserklärung des betroffenen Kunden im Einzelfall nicht verallgemeinerungsfähig und somit nicht musterklagefähig sei.
Wenig überraschend ist auch die Folgerung des BGH, dass die Sparkasse Berlin die von Verbrauchern vereinnahmten Entgelte im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung von Girokonten ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit sie die Erhebung dieser Entgelte auf eine Zustimmungsfiktion gemäß der Zustimmungsfiktionsklausel gestützt hat.
Mit seinem Urteil vom 19.11.2024 (XI ZR 139/23) hatte der BGH bereits die Übertragung der Drei-Jahres-Lösung bei Energielieferungsverträgen – wonach ein Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat – auf Bankentgelte abgelehnt. Der Beginn des Verjährungslaufs blieb jedoch bislang im Argen.
Der BGH hat sich nunmehr erstmals klar dazu positioniert, ab welchem Zeitpunkt ein Rückforderungsanspruch aufgrund unzulässig erhobener Bankentgelte zu verjähren beginnt:
Ansprüche der Verbraucher auf Erstattung von rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelten unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren ab Entstehen der Forderung und Kenntnis hiervon (§ 195 BGB).
Rückerstattungsansprüche entstehen nicht bereits mit der Abbuchung der Entgelte von den Girokonten, sondern erst mit der Genehmigung der Saldoabschlüsse der Girokonten bei ausbleibenden Einwendungen sechs Wochen nach dem jeweiligen Monatsende (Nr. 7 Abs. 3 Satz 1 AGB-Sparkassen).
Kenntnis von ihren Rückzahlungsansprüchen haben Verbraucher durch die Information der Bank über die beabsichtigte Entgeltänderung und deren Ausweis in den Saldoabschlüssen.
Der BGH stellte ferner klar, dass der Verjährungsbeginn insbesondere nicht durch eine etwaig bestehende Rechtsunkenntnis der Verbraucher bis zum Urteil vom 27. April 2021 hinausgeschoben worden sei, da hinsichtlich der Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln nie eine unsichere oder zumindest zweifelhafte Rechtslage vorlag. Auch die langjährige und verbreitete Verwendung von unwirksamen Zustimmungsfiktionsklauseln im Rechtsverkehr der Banken und Sparkassen vor dem Senatsurteil lasse nicht darauf schließen, dass die Rechtsprechung derartige Klauseln bis 2021 gebilligt habe.
Damit besteht nunmehr Gewissheit, dass Banken nur insoweit Rückforderungen von derzeit noch nicht verjährungshemmend geltend gemachten, vereinnahmten Entgelten befürchten müssen, als diese Entgelte auf wackelnden Grundlage erhoben wurden und seit dem Jahresende, das auf Erhebung und Kenntnis des Verbrauchers von der Entgelterhebung folgte, nicht mehr als drei Jahre verstrichen sind. Das Volumen potentieller Rückforderungen und damit auch das Interesse vieler Verbraucher, diese oftmals geringen Beträge gerichtlich geltend zu machen, dürfte durch das Urteil des BGH somit erneut signifikant gesunken sein.
Paul Skatulla
Rechtsanwalt
Licencié en droit